Nato-Gipfel in Washington: Die fünf wichtigsten Fragen (2024)

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Nato-Gipfel in Washington: Die fünf wichtigsten Fragen (1)

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Vor zwei Wochen lud das US-Außenministerium eine Gruppe internationaler Korrespondenten auf die Marinebasis Norfolk ein, den Sitz der beiden Nato-Kommandos auf amerikanischem Territorium. Ein paar Dinge, bat das State Department, möge man bitte nicht ansprechen: den Krieg in der Ukraine und Kiews mögliche Nato-Mitgliedschaft, den Gazakrieg und den Konflikt im Roten Meer, »jeden Kommentar zu Wahlen« und »politische Fragen im Allgemeinen«. Die Experten auf der Basis seien schließlich keine Politiker.

Die Journalistinnen und Journalisten versuchten es trotzdem, und viel sagten die Nato-Leute auf diese Fragen tatsächlich nicht. Aber so ungewöhnlich die Bitte des State Department war – sie gab einen guten Hinweis darauf, welche Themen die meisten Staats- und Regierungschefs der Allianz beschäftigen, wenn sie am Dienstag zum Gipfel und zum 75. Jahrestag der Nato in Washington eintreffen. Fünf Themen stehen im Vordergrund, und sie haben alle mit Politik zu tun.

1. Wie geht es Joe Biden?

Gedacht war der Gipfel unter anderem als Bühne für den US-Präsidenten, der sein Amt vor dreieinhalb Jahren mit dem Satz »America is back« antrat und nun zeigen wollte, was er erreicht hat: die Renaissance einer Allianz, die sein Vorgänger Donald Trump einst »obsolet« genannt und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron einmal als »hirntot« bezeichnet hatte.

Nato-Gipfel in Washington: Die fünf wichtigsten Fragen (2)

Doch nach der für Joe Biden katastrophal verlaufenen Präsidentschaftsdebatte vom 27. Juni wird es vor allem um die Frage gehen, wie Joe Biden die beiden Gipfeltage körperlich und geistig meistert. Nicht nur in den USA wird seit dem 27. Juni über Bidens Alter und Gesundheitszustand diskutiert: »Marc Aurel war ein großer Kaiser, aber er vermasselte seine Nachfolge«, hatte Polens Außenminister Radek Sikorski ausgerechnet während der US-Fernsehdebatte auf X geschrieben. »Es ist wichtig, dass man seinen Ritt in den Sonnenuntergang regelt.« Es wird ein Zittergipfel, vielleicht für Joe Biden selbst, mit Sicherheit aber für seine Partei und seine Bündnispartner.

Polens Außenminister Radoslaw Sikorski auf X

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2. Eine Brücke für die Ukraine

»Die Zukunft der Ukraine liegt in der Nato«, hatte die Allianz vor einem Jahr auf dem Gipfel in Vilnius in ihr Abschlusskommuniqué geschrieben. Eine der zentralen Fragen auf dem Gipfel in Washington wird sein, wie die Nato diesen Satz ein Jahr später ausbuchstabiert.

Nato-Gipfel in Washington: Die fünf wichtigsten Fragen (3)

Die US-Regierung betrachte Kiews »Bewegung in Richtung der Allianz als unumkehrbar«, sagte ein hoher Beamter des Außenministeriums Ende Juni. Washington erwarte, dass nun eine »Brücke« für die Ukraine entstehe, die »gut beleuchtet, kurz, gerade und ungehindert« verlaufe. Darauf wird der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj drängen, der ebenfalls zum Gipfel anreist. Aber was das finanziell, militärisch und politisch konkret bedeutet, und ob Selenskyj bekommt, was er will, dürfte erneut erst mit dem Abschlusskommuniqué feststehen. Militärhilfen von rund 40 Milliarden Dollar wollen die Nato-Staaten der Ukraine binnen einem Jahr zur Verfügung stellen. Wenn es nach dem scheidenden Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg ginge, würde die Allianz künftig deutlich mehr Geld für Kiew bereitstellen.

3. Welche Rolle spielt Donald Trump?

Der frühere US-Präsident Donald Trump wird nicht physisch am Gipfel in Washington teilnehmen. Umso breitbeiniger dürfte er virtuell mit am Tisch sitzen, gleichsam der böse Geist im transatlantischen Verhältnis. Am kommenden Montag beginnt in Milwaukee im Bundesstaat Wisconsin der Parteitag der Republikaner. Spätestens dann wird erwartet, dass Trump den Kandidaten oder die Kandidatin für seinen Vizepräsidentenposten bekannt gibt. Es ist nicht auszuschließen, dass er das schon vorher tut, um den Nato-Gipfel zu stören.

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Sei er wieder an der Macht, behauptet Trump, werde er Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine »binnen 24 Stunden« stoppen. Experten der Verteidigungs-Denkfabrik »Defense Priorities«, die sich am Vorabend des Gipfels in Washington trafen, sehen das differenzierter. Auch Trump werde in dem Fall nicht darum herumkommen, politischen Druck auf Russland auszuüben.

4. Wie werden die Lasten aufgeteilt?

Die USA, hatte Trump während der Präsidentschaftsdebatte mit Biden behauptet, finanzierten »fast 100 Prozent« des Nato-Budgets. Das war eine krasse Übertreibung, der tatsächliche US-Anteil an den Militärausgaben der Allianz beträgt knapp zwei Drittel. Aber mit seiner Auffassung, dass das »burden-sharing« in der Nato nicht fair sei, ist Trump nicht allein.

Reiche Nato-Staaten wie Deutschland und Frankreich tun nach wie vor zu wenig für Europas Verteidigung, das finden nicht nur die Anhänger von Trumps »Make America Great Again«-Kult. Auch vielen anderen Amerikanern geht die »Zeitenwende«, die Bundeskanzler Olaf Scholz nach Russlands Überfall auf die Ukraine ausgerufen hat und die deutlich höhere Militärausgaben vorsieht, nicht schnell genug. Den Experten von »Defense Priorities« zufolge ist eine neue sicherheitspolitische »Arbeitsteilung« unumgänglich: Die europäischen Nato-Staaten müssten mehr für ihre Verteidigung ausgeben, damit die USA ihre Präsenz in Asien ausbauen können.

5. Jenseits des Nordatlantik

Neben den Staats- und Regierungschefs der 32 Nato-Staaten reisen diesmal erneut Vertreter der vier indopazifischen US-Verbündeten Australien, Neuseeland, Japan und Südkorea zum Nato-Gipfel. Vor allem zwei von ihnen, Japan und Südkorea, hatte Donald Trump während seiner Präsidentschaft mit ähnlichen Argumenten beunruhigt wie die Europäer: Wenn sie nicht mehr bezahlten, werde er US-Truppen aus ihren Ländern abziehen.

Nato-Gipfel in Washington: Die fünf wichtigsten Fragen (5)

Joe Biden sieht es als Verdienst seiner Amtszeit an, diese Länder wieder eng an die USA gebunden und für eine Zusammenarbeit mit der Nato gewonnen zu haben, vor allem zur Unterstützung der Ukraine. Dass Russland auch an seiner pazifischen Küste immer aggressiver auftritt und inzwischen enger denn je mit Nordkorea und China zusammenarbeitet, vertieft die Bindungen zwischen den USA und ihren pazifischen Partnern.

Mehr zum Thema

  • Analyse vor Nato-Gipfel: »Russland ist weiterhin eine große Bedrohung für den Westen«Ein Video von Rachelle Pouplier

  • Olaf Scholz im Krisenmodus: Krieger wider WillenVon Melanie Amann und Martin Knobbe

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Wie weit diese Kooperation am Ende reichen wird und ob Washingtons Bündnisse in dieser Region eines Tages zu einer Art »pazifischer Nato« zusammenwachsen, ist unter US-Strategen umstritten. Aber sie zeigen, dass sich Washingtons Prioritäten verschieben.

Nato-Gipfel in Washington: Die fünf wichtigsten Fragen (2024)

FAQs

Wann findet der NATO-Gipfel statt? ›

Die Vereinigten Staaten sind 2024 Gastgeber des NATO-Gipfels, der vom 9. bis 11. Juli in Washington stattfindet und das 75-jährige Bestehen des Bündnisses feiert.

Wie lange dauert der NATO-Gipfel in DC? ›

Von Dienstag, 9. Juli 2024, bis Donnerstag, 11. Juli 2024 , findet der NATO-Gipfel im District of Columbia statt.

Wer nahm am NATO-Gipfel 2024 teil? ›

Die Staats- und Regierungschefs der NATO-Partner, darunter die Ukraine, Australien, Japan, Neuseeland, die Republik Korea und die Europäische Union, nehmen während des Gipfels gemeinsam mit den Verbündeten teil, um die gemeinsamen Bemühungen zur Stärkung des internationalen Friedens und der Sicherheit voranzutreiben.

Wie oft NATO-Gipfel? ›

Seit der Gründung der NATO 1949 haben mehr als dreißig NATO-Gipfel stattgefunden. Das letzte reguläre Gipfeltreffen war für den Sommer 2022 geplant, doch der Russische Überfall auf die Ukraine zwang das Bündnis, bereits am 25. Februar eine außerordentliche Sitzung abzuhalten.

Was ist der Zweck des NATO-Gipfels? ›

Auf den NATO-Gipfeltreffen haben die Staats- und Regierungschefs der NATO-Mitgliedsländer in regelmäßigen Abständen die Gelegenheit, wichtige Fragen der Allianz zu erörtern und die strategische Ausrichtung ihrer Aktivitäten festzulegen.

Was ist das Ziel der NATO? ›

Es steht für gemeinsame Sicherheit und Verteidigung, für gemeinsame Operationen und für die internationale Kooperation mit Partnern, auch für gelebten Multilateralismus. Die NATO versteht sich auch als Wertegemeinschaft freier demokratischer Staaten.

Ist die NATO-Konferenz vorbei? ›

Der letzte NATO-Gipfel fand am 11. und 12. Juli 2023 in Vilnius (Litauen) statt. Der nächste findet vom 9. bis 11. Juli 2024 in Washington, D.C. statt.

Wann und wo fand der 20. NATO-Gipfel statt? ›

Der Rigaer Gipfel 2006 oder 20. NATO-Gipfel war ein NATO-Gipfel , der vom 28. bis 29. November 2006 im Olympischen Sportzentrum in Riga, Lettland, stattfand. Die wichtigsten Diskussionsthemen waren der Krieg in Afghanistan und die zukünftige Rolle und Grenzen des Bündnisses.

Wo findet der NATO-Gipfel in Washington statt? ›

Washington DC, Vereinigte Staaten, 9.-10.-11. Juli 2024. Die Vereinigten Staaten werden am 9.-10.-11. Juli 2024 einen NATO-Gipfel in Washington DC ausrichten. Die Treffen werden vom NATO-Generalsekretär geleitet und finden im Walter E. Washington Convention Center, 801 Allen Y, statt.

Wer entscheidet in der NATO? ›

Der Nordatlantikrat

In der Nato rangiert die Politik über dem Militär. Das zentrale Entscheidungsgremium ist der Nordatlantikrat ( NAC ) im Brüsseler Hauptquartier. Es gibt ihn in vier Besetzungen: Am häufigsten, mindestens einmal pro Woche, treffen sich die Nato -Botschafter der Mitgliedsstaaten.

Wer tritt als nächstes der NATO bei? ›

The Times berichtete am 11. April 2022 unter Berufung auf US-Beamte, dass Finnland und Schweden bereits für den Sommer 2022 einen NATO-Beitritt anstreben.

Wer ist das 2 stärkste Land in der NATO? ›

Ranking der Armee-Stärke: Truppenstärke der Nato-Länder in einer Liste
  • USA: 1.328.000.
  • Türkei: 355.200.
  • Polen: 202.100.
  • Frankreich: 200.000.
  • Großbritannien: 184.860.
  • Deutschland: 181.600.
  • Italien: 165.500.
  • Griechenland: 142.700.
Feb 27, 2024

Wo findet der NATO-Gipfel statt? ›

Der NATO-Gipfel 2024 in Washington fand vom 9. bis 11. Juli 2024 in der Hauptstadt der USA statt.

Wie viele Länder sind in der NATO 2024? ›

Im Laufe der Zeit wurden immer mehr Länder Nato-Mitglieder. Deutschland trat der Organisation beispielsweise am 6. Mai 1955 bei, sechs Jahre nach ihrer Gründung. Mittlerweile hat das nordatlantische Bündnis im Jahr 2024 32 Mitglieder.

Wo in DC findet der NATO-Gipfel 2024 statt? ›

Die Vereinigten Staaten werden am 9., 10. und 11. Juli 2024 einen NATO-Gipfel in Washington D.C. ausrichten. Die Treffen werden vom NATO-Generalsekretär geleitet und finden im Walter E. Washington Convention Center, 801 Allen Y. Lew Place NW, Washington, DC 20001 , Vereinigte Staaten, statt.

Wer ist in der NATO 2024? ›

Diese Länder sind Nato-Mitglieder 2024
  • Vereinigtes Königreich (1949)
  • USA (1949)
  • Belgien (1949)
  • Kanada (1949)
  • Dänemark (1949)
  • Frankreich (1949)
  • Island (1949)
  • Luxemburg (1949)
Aug 17, 2024

Wie oft trifft sich die NATO? ›

Der Nordatlantikrat (NAC) ist das wichtigste politische Entscheidungsgremium der NATO. Jeder Mitgliedsstaat hat einen Sitz im NAC. Er tritt mindestens einmal pro Woche oder bei Bedarf auf unterschiedlichen Ebenen zusammen.

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